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Leerstand Teil 4 | Von Überangebot zu Wohnungsnot?

How to Real Estate #45

Das Thema Wohnungsleerstand ist auf dem Schweizer Immobilienmarkt ein Dauerbrenner. Vor kurzem hat das Bundesamt für Statistik die neue Leerwohnungsziffer für das Jahr 2022 veröffentlicht – und es hat sich erneut etwas getan. Herzlich willkommen beim 4. Teil über Wohnungsleerstand in der Schweiz.

Leerwohnungsziffer 2022

Die Leerwohungsziffer wird vom Bundesamt für Statistik jedes Jahr im September veröffentlicht. Letztes Jahr ist Sie das erste Mal seit 12 Jahren wieder gesunken. Ein Trend, der sich fortgesetzt hat, denn auch im Jahr 2022 ist die Leerwohnungsziffer gesunken – und zwar so stark wie seit 20 Jahren nicht mehr.

Vergleich zum Vorjahr

Gemäss Bundesamt für Statistik liegt die Leerwohnungsziffer per Stichtag vom 1. Juni 2022 neu bei 1.31% – Der Rückgang von 1.54% auf 1.31% bedeutet ein Rückgang von satten 13% – aktuell stehen in der Schweiz rund 61’500 Wohnungen leer – das sind etwa 10’000 Wohnungen weniger, als noch im Vorjahr.  

Medialer Rückblick

Aber moment, da war doch was. Hiess es vor wenigen Jahren nicht, dass die Leerwohnungsziffern ein Rekordhoch erreicht haben und die Leerstände zum chronischen Problem geworden sind? In der Tat – noch im Jahr 2020 dominierten Medienberichte über Geisterstädte, rekordhohe Leerstände und einem massivem Überangebot auf dem Mietwohnungsmarkt. 2 Jahre später sieht die Welt komplett anders aus. Das neue dominierende mediale Narrativ lautet «Wohnungsnot». Wie ist diese Trendwende zu erklären? Schauen wir uns das ganze im Detail an.

Rückblick Folgen 1-3

Vorab ein kleiner Hinweis: Wenn Sie diese Sendung regelmässig verfolgen, dann wissen Sie auch, dass die Leerwohnungsziffer ein Thema ist, dass uns jedes Jahr von neuem beschäftigt. In den ersten drei Teilen über Wohnungsleerstand in der Schweiz finden Sie zahlreiche Informationen über die Leerwohnungsentwicklung der vergangenen Jahren und darüber, wie die Leerwohnungsziffer in der Schweiz überhaupt erhoben wird.

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 1 | Was bedeutet die Leerwohnungsziffer?

How to Real Estate #6

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 2 | Wie sind die Zahlen einzuordnen?

How to Real Estate #7

Wohnungsleerstand in der Schweiz Teil 3 | Trendwende auf dem Wohnungsmarkt?

How to Real Estate #19

Regionale Veränderungen

Schauen wir uns an, wie sich die Leerwohnungsziffer in den letzten 12 Monaten entwickelt hat. Leerstand ist in der Schweiz ein extrem regionales Thema. Die kantonale Bandbreite erstreckt sich in der Erhebung 2022 von 0.33% im Kanton Zug bis 2.96% im Kanton Jura. Der Spitzenreiter in der Erhebung 2022 war die Gemeinde Veytaux im Kanton Waadt. Schauen wir uns an, wie sich die regionalen Zahlen gegenüber dem Vorjahr entwickelt haben. Gegenüber dem Jahr 2021 ist der Leerstand in allen 7 Schweizer Grossregionen gesunken. Auf kantonaler Ebene ist das Bild ein ganz ähnliches. In 22 von 26 Kantonen ist die Leerwohnungsziffer gesunken. Am deutlichsten waren die Rückgänge in den Kantonen Appenzell Ausserrhoden und Uri. Gestiegen sind die Leerstände nur in 4 Kantonen – und bei 3 dieser 4 Kantone lediglich minimal im Nachkommastellenbereich. Der einzige Kanton mit einer signifikant höheren Leerwohnungsziffer als noch vor einem Jahr ist der Kanton Jura.

Veränderungsgründe

Im letzten Jahr waren die meisten Experten über den Rückgang der Leerwohnungsziffer eher überrascht. In diesem Jahr kam der deutliche Rückgang allerdings alles andere als überraschend. Wie ist der starke Rückgang zu erklären? Dafür gibt es mehrere Faktoren:

1. Die Neubautätigkeit
2. Die Zuwanderung
3. Die demographische Entwicklung und deren Einfluss auf die Anzahl der Haushalte

Bautätigkeit

Kümmern wir uns als erstes um die Neubautätigkeit – und hier stellt man fest: Die Neubautätigkeit ist in den letzten beiden Jahren deutlich zurückgegangen. In den letzten beiden Jahren wurden rund 4’800 Wohnungen weniger baubewilligt als in den zwei Jahren davor. Gleichzeitig kommt es heute auf vielen Baustellen zu Verzögerungen. Grund dafür sind nach wie vor Probleme bei den Lieferketten sowie die drastisch angestiegenen Baukosten. Diese beiden Faktoren stellen Entwickler von Liegenschaften vor grosse organisatorische und finanzielle Schwierigkeiten. Das Ergebnis: Aktuell kommen deutlich zu wenige neue Wohnungen auf den Markt.

Bevölkerungswachstum

Zweiter Punkt: Die Schweiz hat nach wie vor eine konstante und stabile Zuwanderung. Im Jahr 2021 betrug die Nettozuwanderung rund 61’500 Personen – ähnlich hoch wie im Vorjahr. Und auch im ersten Halbjahr 2022 ist die Bevölkerung um weitere 32’000 Personen gewachsen. Die meisten Experten gehen davon aus, dass die Nettozuwanderung in den kommenden Jahren ähnlich hoch oder sogar noch höher sein wird. Diese Entwicklung beeinflusst zweifelsfrei die Nachfrage nach Wohnraum.

Silver Society

Der alleinige Blick auf das Bevölkerungswachstum ist allerdings nicht ausreichend. Bei der Frage, wieviele Wohnungen in der Schweiz benötigt werden, spielt insbesondere auch die demographische Entwicklung der Bevölkerung eine Rolle. Das Stichwort der Stunde lautet «Silver Society». Jede 5. Person, die in der Schweiz lebt, ist über 65 Jahre alt und diese Bevölkerungsgruppe wird in Zukunft rasant wachsen. Dies hat einen enormen Einfluss auf die Wohnungsnachfrage. Einfach gesagt: Je älter die Bevölkerung, desto mehr Wohnungen werden prozentual benötigt. Wieso das so ist und wie genau sich der Megatrend «Silver Society» auf die Wohnungsnachfrage auswirkt, haben wir ausführlich in diesem Video erklärt.

Wohnungsnot?

Stellt sich am Ende die Frage: Haben wir jetzt dadurch eine Wohnungsnot, oder nicht? Beobachtet man die mediale Berichterstattung im Zuge der Leerwohnungsziffer, dann müsste man das meinen. Eine einfache Antwort darauf gibt es natürlich nicht, aber soviel scheint sicher: Wenn wir in der Schweiz heute eine Wohnungsnot haben, dann haben wir diese nicht, weil die Leerwohnungsziffer jüngst auf 1.31% gesunken ist.

Entwicklung Zug, Zürich, Genf

Schaut man sich klassische A-Standorte in der Schweiz wie beispielsweise Zug, Zürich oder Genf an, dann muss man sagen: Ja, es ist extrem schwierig, an diesen Standorten eine Mietwohnung zu finden und an solchen Standorten kann es auch durchaus gerechtfertigt sein, von Wohnungsnot zu sprechen. Das ist allerdings alles andere als neu. Die Leerwohnungsziffern in diesen Städten waren bereits in den letzten Jahren ausserordentlich tief – auch in Zeiten von schweizweit rekordhohen Leerständen. Die schweizweite Leerwohnungsziffer von 1.31% ist im historischen Vergleich nicht ausserordentlich tief – sie ist in etwa so hoch wie im Jahr 2016 und im Vergleich mit den letzten 20 Jahren eher hoch.

Ausblick

Das sich die Situation an solchen Standorten in naher Zukunft ändert, scheint unwahrscheinlich, denn: Zum einen sind die Baulandreserven an solchen Standorten extrem rar – zum anderen haben Entwickler, die Bauprojekte planen, mit Einsprachen zu kämpfen. Gerade Bauprojekte in städtischen Lagen erfahren zum Teil starken Gegenwind – was dazu führt, dass sich die Projekte verzögern, oder ganz fallen gelassen werden. Und auch gesamtschweizerisch stehen die Aussichten deutlich auf eine zusätzliche Verknappung des Angebots. Fast alle Experten gehen davon aus, dass die schweizweite Leerwohnungsziffer in relativ absehbarer Zeit unter 1% fallen wird.

Outro

Die Leerwohnungsziffer gibt zu sprechen – im How to Real Estate Podcast habe ich die aktuelle Entwicklung der Leerwohnungsziffer mit Crowdhouse CEO Robert Plantak diskutiert. Auch Den Link zu dieser Podcast-Episode finden Sie hier.